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Eine unappetitliche Geschichte Wo soll man beginnen, wo enden? - Bis 1951 standen Unter den Linden neben der
Neuen Wache die Marmorstandbilder Scharnhorsts und Bülows, geschaffen von Christian Daniel Rauch, nach Schadow Deutschlands bedeutendstem Bildhauer des Klassizismus. Der Sockelentwurf stammt von Karl Friedrich
Schinkel. Rauch ist auch der Schöpfer von drei weiteren Bronzestandbildern von Blücher, Gneisenau und York von Wartenburg. Alle Denkmäler wurden zwischen 1822 und 1855 Unter den Linden zwischen der Staatsoper und
der Schloßbrücke aufgestellt. Sie bildeten eine thematische und kompositionelle Einheit, unpathetisch und zurückhaltend im Gestus erinnerten sie an die siebenjährige napoleonische Willkürherrschaft und an die von
der Bevölkerung getragene Befreiungsbewegung.
Wie durch ein Wunder überstanden die Denkmäler schadlos sämtliche Kriege. Bis 1951 standen sie eingemauert am historischen Platz. Ulbricht ließ sie anläßlich der Weltfestspiele 1951 entfernen. Alle fünf Denkmäler kamen ins Depot des Neuen Museums. 1964 wurden die Bronzestandbilder Unter den Linden wieder aufgestellt, allerdings weit nach hinten versetzt, von der Straße aus kaum sichtbar. Bülow und Scharnhorst wurden renoviert und sollten 1990 am Originalstandort neben der Neuen Wache aufgestellt werden.
Im Zuge der Wiedervereinigung wurde dieser Plan jedoch revidiert. In einem Briefwechsel zwischen Bundeskanzler Kohl und den Erben von Käthe Kollwitz wurde vereinbart, daß die Figuren nicht mehr aufgestellt werden. Kollwitz ist die Schöpferin der Pieta “Mutter mit totem Sohn”, die in vergrößerter Fassung in der Neuen Wache aufgestellt wurde. - Seither harren die Marmorstandbilder, beides Kunstwerke von Weltgeltung, in einem Depot der Senatsverwaltung für Bauen und Wohnen in Reinickendorf in einem Holzverschlag ihrer Wiederaufstellung.
Zwei Entscheidungsträger legen sich quer Ob Ex-Kanzler Kohl heute noch dieselbe Auffassung vertritt, ist nicht bekannt. Die Kollwitzerben scheinen bereit zu sein, unter bestimmten
Voraussetzungen keine Einwände mehr gegen die Aufstellung Scharnhorsts und Bülows zu erheben... Blücher, York und Gneisenau wurden 1999 wieder nach vorn gerückt. Sogar das Rauchsche Reiterdenkmal Friedrichs II.
steht mittlerweile wieder an seinem angestammten Platz. Das Schicksal der beiden Marmordenkmäler jedoch scheint besiegelt: Zwei hochgestellte Persönlichkeiten der Senatsverwaltung haben den Daumen gesenkt:
Scharnhorst und Bülow bedeuten für den einen (Berlins obersten Denkmalschützer) “Verherrlichung preußischer Kriegskunst” und für den anderen (Baustadtrat des Bezirks Mitte) hat der “Gestaltungswille der DDR”
Priorität.
Können wir uns soviel Ignoranz leisten? Wo sind wir denn? DDR-Nostalgie geht vor Weltkunst? Vorkämpfer für die Einheit unseres Vaterlandes und für die Befreiung aus Knechtschaft und
Unterdrückung, werden als Kriegshetzer verunglimpft? Bülow hatte als Soldat nur einen erbitterten Feind: Napoleon Bonaparte. Frankreich und den Franzosen jedoch erwies er den höchsten Respekt, wie wir an anderer
Stelle zeigen konnten. Im Moment der größten Niederlage (1815) reichte er dem besiegten Gegner die Hand und machte sich vehement für eine respektvolle Behandlung stark. Der König der Franzosen dekorierte Bülow mit
dem Orden de Mérite.
In anderen Ländern nennt man sie Helden Ein amerikanischer Freund wollte kürzlich wissen, aus welchem Grunde die Deutschen sich von ihrer Geschichte abgewendet hätten. Wieso, fragt er, können
12 Jahre Naziherrschaft den Wunsch nach dem Vergessen so stark werden lassen? - Es fällt schwer, eine plausible Antwort zu geben. Haben 12 Jahre Naziterror und 45 Jahre kommunistisches Regimes unser
Geschichtsbewußtsein kraftlos, blind und taub werden lassen? Was ist von einem Volk zu halten, das seine Geschichte einfach in der Versenkung verschwinden läßt? Muß man sich nicht sorgen?
Nein - die Deutschen stehen heute nicht am Abgrund ihrer Geschichte. Die meisten sind mit ihr im Reinen, haben aus der Vergangenheit gelernt, und es besteht auch nicht die Gefahr, die Geschichte irgendwann einmal wiederholen zu müssen. Es ist höchste Zeit, die Bülow- und Scharnhorst-Denkmäler wieder auf ihren angestammten Plätzen Unter den Linden aufzustellen - schämen muß man sich ihrer nicht. Beschämend ist, daß dies nicht schon lange geschehen ist.
Was ist zu tun? Ich bin keineswegs der Erste, der dieses Anliegen vorträgt und für die Wiederaufstellung der Rauchschen Bülow- und Scharnhorst-Denkmäler eintritt. (Nicht
die Originale, wohlgemerkt, die gehören ins Museum, wohl aber entsprechende Nachbildungen). Im Internet gibt es mindestens zwei engagierte Fürsprecher, auf die ich mich an dieser Stelle berufe:
Die Gesellschaft Historisches Berlin e.V. http://www.ghb-online.de/de/content/historisches_berlin/forum_fridericianum.htm Helmut Koch: “Denkmalrücken Unter den Linden” www.luise-berlin.de/bms/
Der Appell der GHB e.V. lautet “Schreiben Sie an den Stadtrat für Bauwesen Bezirk Mitte, an den Senator für Stadtentwicklung, den Staatsminister für
Kultur, oder an den Bundeskanzler.” - Hier sind also die Links:
Stadtrat für Bauwesen Bezirk Mitte Rosa-Luxemburg-Straße 14 10178 Berlin |
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Senator für Stadtentwicklung Peter Strieder
Württembergische Straße 6 10707 Berlin |
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Mithilfe eines Appells an die genannten einflußreichen Persönlichkeiten sollte es
gelingen, den beklagenswerten Zustand der Erniedrigung zu beenden. Man möge nur einen einzigen triftigen demokratischen Grund nennen, wieso die Zentralfigur
der deutschen Befreiungskriege - verewigt in einem Kunstwerk von Weltrang - weiterhin in einem Holzverschlag in Reinickendorf vermodern muß!
Hinweis: Ich werde die oben genannten Zeilen nicht verändern, da sie den historischen Verlauf um die Rauchschen Standbilder widerspiegeln. Jedoch soll
die weitere Entwicklung im Bülow-Drama nachfolgend halbwegs chronologisch dargelegt werden. Der geneigte Leser hat auf diese Weise die Möglichkeit, den Skandal im nachhinein zu begreifen.
Hoffnung! Im Juli 2002: Mittlerweile ist viel Zeit vergangen. Der Bundestag hat beschlossen,
das Stadtschloß in seiner Außenfassade, sowie den Innenhof, wieder herzurichten. Die Finanzierung ist ein ungelöstes Problem. Was die beiden
Standbilder Scharnhorsts und Bülows betrifft, so sollen sie wieder Unter den Linden aufgestellt werden. Zwar nicht dort, wo sie hingehören und wo sie Schinkel
geplant hatte, aber immerhin in der Nähe. Falsch ist dies allemal, aber damit muß man wohl leben, meint der Autor.
Erleichterung! Im September 2002: Die Gesellschaft Historisches Berlin, die sich seit Jahren
unermüdlich für die Wiederherstellung des Forum Fridericianum nach dem Vorbild der künstlerischen Konzeption von Schinkel und Rauch einsetzt, teilt folgendes mit:
Ein Etappenziel ist jetzt erreicht: Seit dem 24. August 2002 sind die marmornen Denkmale von v. Bülow und v. Scharnhorst, Kunstwerke von Weltgeltung, aus
ihrer unwürdigen Unterbringung in einem Holzschuppen der Senatsverwaltung befreit. Wiederaufgestellt auf den originalen Fundamenten der drei bronzenen
Generäle blicken sie nun auf ihren eigenen ursprünglichen Standort links und rechts neben der Neuen Wache... Wenigstens sind sie so nicht länger dem kunst- und geschichtsinteressierten Publikum entzogen.
Der Skandal geht weiter: Vandalismus in Berlin! Am 26. Juli 2003 erreicht mich die Mitteilung von Holger Heiken, Vorsitzendem des Forum Stadtbild Berlin e.V., dass Christian Daniel Rauchs wertvolles
Bülow-Standbild beschädigt wurde. Da das Standbild, zusammen mit dem Scharnhorst-Denkmal, von kultur- und geschichtslosen Funktionären (HDM) am
falschen Platz versteckt aufgebaut wurde, können sich Vandalen nun gefahrlos daran vergreifen. Heiken fordert vehement und völlig zu Recht, dass die beiden
Statuen durch Kopien ersetzt und die Originale im Museum geschützt werden. (Auch der Autor dieser Webseite hat dies bereits vor Jahren angemahnt, siehe oben). Solange dies nicht geschieht, werden die Funktionäre sich ihrer
Verantwortung für die Marmorstandbilder von Weltgeltung nicht entziehen können. Hier ist der Text der Veröffentlichung.
www.stadtbild-berlin.de
Berichtigung! Im Oktober 2003. Es hat sich mittlerweile herausgestellt, dass die Schäden am
Bülow-Standbild offenbar älteren Datums sind und nicht aus neuerer Zeit stammen können.
Das ganze Elend der ursprünglichen Situation können Sie ermessen, wenn Sie hier klicken.
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